Enricos Reisenotizen
Corona Ausflug 3 – Die Hermesvilla und ein bisschen Lainzer Tiergarten
Da arbeitet man fast zwei Jahrzehnte in Hietzing und findet doch nie
Zeit, den Lainzer Tiergarten und/oder die Hermesvilla zu besuchen.
Schande über mich …
Corona macht es nach wie vor möglich: Ich sehe mich verstärkt in Wien und Umgebung um und suche Plätze, die ich schon lange besuchen wollte, am besten im Freien. Als überzeugte Transdanubierin bin ich natürlich an der Alten und Neuen Donau, am Marchfeldkanal, auf der Donauinsel und am Bisamberg unterwegs, aber manchmal muss man auch über seinen Tellerrand blicken und den Donaufluss überqueren. Also ab in den Lainzer Tiergarten….
Die Sonne lacht vom Himmel und ich schaue bei der Werkbundsiedlung
in Hietzing vorbei, die erst dieser Tage – zusammen mit Siedlungen in
Tschechien, Deutschland, der Schweiz und Polen – als europäisches
Kulturerbe ausgezeichnet wurden. Doch davon in einem anderen Beitrag.
Es zieht mich in die Natur – in den Lainzer Tiergarten – und weil immer auch ein bissl Kultur mit dabei sein sollte und ich außerdem auch noch ein Sisi-Fan bin, sollte ein Besuch der Hermesvilla mit dabei sein.
Beim Lainzer Tor geht’s los. Gerade noch finde ich einen Parkplatz und schon stehe ich im Lainzer Tiergarten. Gleich am Eingang gibt es zwar eine Information und auch normalerweise eine kleine Ausstellung, doch Corona-bedingt ist auch hier alles mehr oder weniger geschlossen. macht aber nichts. Der Übersichtsplan hängt für jedermann sichtbar gleich vis à vis des Eingangs und ich erkunde die Lage.
Da ich bereits die ersten – noch weißen – Wolkentürme am Himmel sehe, möchte ich nicht eine zu große Runde planen, immerhin erstreckt sich der Lainzer Tiergarten über eine Fläche von 2.450 Hektar. Auf einem so großen Gebiet verteilen sich dann auch die 800.000 Besucher pro Jahr.
Ich entschließe mich den Naturerlebnispfad Hermesvillapark zu folgen: Der Weg beginnt beim Infozentrum, ist ungefähr 2,5 Kilometer lang, ein Rundweg und führt an der Hermesvilla vorbei – und bietet damit einfach alles was mein Herz begehrt.
Beim Wandern auf asphaltiertem (!) Weg wird man auch mit Infotafeln mit
der Flora, sprich Bäumen, Blumen und Sträuchern am Wegesrand bekannt
gemacht. Ich bin ein wenig enttäuscht, von der „Parkhaftigkeit“.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass ich weniger an Wiesen vorbeiwandere, sondern tiefer in den Wald eindringe. Und wo sind eigentlich die vielen Wildschweine, Rehe, Hasen und all das andere Getier? Ich freue mich
schon, eine Biene auf einer Blüte fotografieren zu können. Auch die
Mufflons im eingezäunten Gelände haben anscheinend Mittagspause – sie
sind nicht zu sehen.
Geschichte
Wenn schon keines der Tiere auftaucht, dann machen wir eben einen Abstecher in die Geschichte des Lainzer Tiergartens.
Bereits 1270 wird ein sogenannter Auhof in Hütteldorf urkundlich erwähnt, 1457 kennt man einen „Thier- und Saugarten“ zu Laab im Walde, in dem der Kaiser und seine Gäste gerne jagen gingen. Um 1780 erhielt der Lainzer Tiergaren seine heutige Ausdehnung und Kaiser Josef II. ließ von 1782-1787 eine ca. 22 Kilometer lange Mauer rund um das Gebiet von Maurermeister Philipp Schlucker errichten.
1882 bis 1886 wurde nach Plänen von Carl von Hasenauer die Hermesvilla erbaut. Der Bauauftrag kam von Kaiser Franz Joseph, der die Villa seiner Frau Sisi schenkte und wohl hoffte, damit ihre ausschweifende Reisetätigkeit etwas einschränken zu können und sie mehr in Wien halten zu können.
Ab 1919 wurde der Tiergarten an Wochenenden für die Bevölkerung
geöffnet. Der Tiergarten befand sich nun im Besitz des
Kriegsgeschädigtenfonds, der in der Zwischenkriegszeit vor dem Bankrott
stand und den wertlosen Tiergarten verwerten wollte. Auf einem Teil
wurden ein Golfplatz sowie eine Kleingartensiedlung errichtet. Das Ende
des Tiergartens schien besiegelt.
1937 wurde der Kriegsgeschädigtenfond aufgelöst und der Tiergarten vom Bund an die Stadt Wien unter der Vorgabe übertragen, dass er in seiner Gesamterscheinung sowie als Naturschutzgebiet erhalten bleibt. 1941 wurde er Reichsnaturschutzgebiet und damit wurde den Wienern wieder der Zutritt verwehrt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es als Folge der damals herrschenden Not zur planlosen Abholzung des Waldes und auch der Wildbestand wurde beinahe ausgerottet, die Hermesvilla wurde mehr und mehr zu einer Ruine.
Verschiedene Nutzungsvarianten tauchten auf: Es gab Pläne für einen Waldfriedhof, für den Bebau mit Weingärten und sogar eine Liliputbahn sollte errichtet werden. Dass all diese Pläne oder ein Teil nicht verwirklicht wurden ist Bruno Marek, dem späteren Wiener Bürgermeister zu verdanken. Als passionierter Jäger stemmte sich der damalige Direktor der Wiener Messe gegen all diese Pläne. Schließlich wurde 1969 noch der Verein der Freunde der Hermesvilla gegründet, dessen Obmannschaft Marek innehatte. Die Hermesvilla ging in städtischen Besitz über, wurde renoviert und 1973 wieder eröffnet. Seit 1974 kann der Lainzer Tiergarten bei freiem Eintritt besucht werden.
Nach so viel Geschichte zurück zu meinem Weg und da steht plötzlich ein
ziemlich modernes Denkmal vor mir, das bereits an die Kaiserin erinnert. Wenige Schritte später blitzt ein Schlösschen mit einem Turm durch die
Bäume und schon liegt sie vor mir: Die Hermesvilla.
Villa ist vielleicht für das Gebäude ein bisschen untertrieben: irgendwie erinnert es schon mehr an ein Schlösschen, Seinen Namen erhielt das Gebäude von „Hermes, dem Wächter“ der sich vor der Villa im Park befindet. Klingt in meinen Ohren auch viel besser als „Villa Waldesruh“ – der ursprünglich geplante Name für das Bauwerk. Ich bin mir auch sicher, dass Sisi Hermesvilla der Waldesruh vorgezogen hat.
An der Vorderseite zum Park gelegen befindet sich nun ein
Café-Restaurant-Labstelle Hermes, wo man seinen kleinen Braunen, seine
Melange oder Jause und Mittagstisch auch im Freien sitzend serviert
bekommt. Ich habe dieses Mal zwar nichts probiert, aber alleine die
Speisekarte lädt zu einem Besuch ein: https://www.hermes-villa.at/fileadmin/Bibliothek/downloads/Speis_TrankHermes.pdf
Mich zieht es in den „Innenhof“ mit seinem Brunnen vor der
Eingangstür zur Villa und seinen schmucken Häusern, in denen früher wohl die Pferde für Sisis Reitleidenschaft untergebracht waren und nun die
Forstwirtschaft residiert.
Ich habe Glück, die Museen und so auch die Hermesvilla sind bereits für Besucher geöffnet.
Im Erdgeschoss befinden sich die Museumskassa mit Shop und der wunderschöne Tilgnersaal in dem auch immer wieder Trauungen stattfinden. Mit dem Blick zu Park und Hermes kann man sich hier sicher am schönsten Tag seines Lebens kaiserlich fühlen.
Ich gehe nun aber die Treppe mit dem reich gegliederten Stiegengeländer von Albert Milde und Alois Hanusch in den ersten Stock, wo die Appartements der Kaiserin lagen.
Titania wandelt unter hohen Bäumen,
(Titanias Zauberschloss. Villa Hermes. Elisabeth von Österreich, Sommer 1888)
Mit weissen Blüten ist ihr Pfad bestreut,
Die Buchen rings, die alten Eichen keimen,
Es scheint der Wald ein Dom dem Mai geweiht.
Ein Dom, durchweht von märchenhaften Träumen,
Ein Zauberort verborgen und gefeit,
Maiglöckchen läuten duftend süße Lieder,
Und gold’ne Falter schweben auf und nieder.
Doch nie und nimmer werden zugelassen,
Die draußen an des Zauberwaldes Thor,
Um Einlass fleh’n mit Schreien und mit Scharren
Die alten Esel und die jungen Narren.
Ob der Kaiser wohl auch an des Zauberwaldes Thor stand und nicht hineingelassen wurde? Möglich wäre es. Ich schlendere jedenfalls durch die Räume, die ein bisschen einen Eindruck von Kaisers privat vermitteln sollen. Zahlreiche Objekte der früheren Archilleion-Einrichtung wurden 1899 nach München zu Erzherzogin Gisela gebracht. Die Villa erbte allerdings Erzherzogin Marie Valerie, die sie auch 1902 nach den Bedürfnissen ihrer Familie adaptieren ließ. Sie und ihr Gemahl bewohnten damals die ehemaligen Appartements der Kaiserin, ihre sieben Kinder das Erdgeschoss. Doch bald zieht die Familie nach Schloss Waldsee und 1907 ist es das letzte Mal, dass Marie Valerie die Villa besucht. Sisi und Franz Joseph waren übrigens im Juni 1898 zum letzten Mal gemeinsam hier: am 2.Juli reisten sie nach Ischl und am 10. September wird die Kaiserin in Genf ermordet.
Zwei Zimmer haben mich – neben einigen Gegenständen wie die Gaslampen, die Porzellanfiguren oder einige Beleuchtungskörper – besonders beeindruckt. Das Turnzimmer und das Schlafzimmer der Kaiserin.
Im Schlafzimmer steht ein hochbarockes Prunkbett, in dem bereits Maria Theresia in der Poststation Strengberg bei Amstetten übernachtet hat und das gemeinsam mit dem Sofa und den Gueridons (kleine runde Tische) 1885 in die Villa gebracht wurde. Die meisten übrigen Möbel stammen aus dem 19. Jahrhundert. Nach den Überlieferungen soll das Mobiliar des Schlafzimmers eher dem Geschmack von Franz Joseph entsprochen haben.
Sisi wiederum liebte den Sommernachtstraum und fühlte sich oft in
die Figur der Titania hinein. Die Motive an den Wänden sind angeblich
dem Sommernachtstraum entnommen und wurden nach Entwürfen von Hans
Makart geschaffen. Ich könnte verstehen, dass man in so einem Zimmer
melancholisch bis trübsinnig wird und in die Weiten des Meeres oder der
Berge oder sonst wohin flüchten möchte.
Schrecklich auch die Figur der „Melancholie“, die 1894 aufgestellt wurde und die an den 1889 verstorbenen Kronprinzen Rudolf erinnern sollte.
Auch das Turnzimmer weist eine - für mich – eigenartige Bemalung
auf, aber hier passen die Motive zum Zweck. Aber vielleicht war dies
auch beim Sommernachtstraum ja der Fall. Diese zwei Räume solltet ihr
euch aber keinesfalls bei einem Ausflug entgehen lassen. Ich bin
eigentlich von der Bildergewalt ziemlich erschlagen fast aus dem
Schlafzimmer geflüchtet.
Ich wandere im hellen Sonnenschein durch den Garten und beäuge die Statuen, die die Villa „bewachen“. Da in der Ferne bereits weitere – nun bereits dunkelgrau gefärbte – Wolken sich auftürmen, beschließe ich meinen Besuch im Café auf das nächste Mal zu verschieben und wandere zurück zum Lainzer Tor. Knapp bevor ich das Tor erreiche, entdecke ich noch einen Teich, in dem sich riesige Karpfen, Enten und ein Blässhuhn (?) mit einem Jungen tummeln.
Auch der große Spielplatz daneben schaut sehr einladend aus. Vis à vis
davon stehen mehrere Holzhütten, die jeden letzten Sonntag im Monat von
10:00 bis 16:00 Uhr einen kleinen Markt beherbergen. Auch ein guter
Grund, wieder einmal vorbei zu schauen. …
Somit ist mein erster (!) Besuch im Lainzer Tiergarten abgeschlossen. Ein bisschen enttäuscht bin ich, dass mir gar kein Wildschwein über den Weg gelaufen ist (vielleicht war es auch besser so). Dennoch das nächste Mal wird mehr Zeit eingepackt und eine große Runde gedreht – schließlich gibt es hier noch einiges zu entdecken. Und Corona ist ja auch noch immer in der Stadt ….
Hermesvilla
1130 Wien, Lainzer Tiergarten
Tel: +43 1 804 13 24
Sechs Tore führen in den Lainzer Tiergarten: das Lainzer Tor,
Gütenbachtor, Laaber Tor, Pulverstampfto, Nikolaitor und das St. Veiter
Tor. Wo sie genau liegen und wie ihr am besten mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln hinkommt, kann man hier nachschauen:
https://www.wien.gv.at/umwelt/wald/erholung/lainzertiergarten/eintritt.html
Der Link führt auch zu den unterschiedlichen Öffnungszeiten im Laufe des Jahres und enthält Infos, was in Covid-19-Zeiten offen oder geschlossen ist.
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